Stadtwaldmanagement in Krisenzeiten – ein Interview

Stadtwaldmanagement in Krisenzeiten – ein Interview

 

Peter Rodenfels ist stellvertretender Leiter der Abteilung Stadtforst im Frankfurter Grünflächenamt. Im Zurich Blog gibt er einen kleinen Einblick in die aktuellen Probleme rund um den Frankfurter Stadtwald und wie die Experten damit umgehen.

Abteilung Stadtforst – wie kann man sich denn Ihre Arbeit vorstellen? Was alles gehört zu Ihren Aufgaben?

Ich bin der Vorgesetzte der Forstrevier-Leiter, die dann auf der Fläche den Wald betreuen. Ich koordiniere die Reviere abteilungsübergreifend, sodass alles Hand in Hand geht. Zusätzlich habe ich die Finanzen im Blick. Ich mache auch Ausschreibungen und die Technikbeschaffung, wenn beispielsweise jemand einen neuen Schlepper braucht. Dabei versuche ich natürlich Synergieeffekte zu erreichen, zum Beispiel, dass man Arbeiter temporär in einem anderen Revier einsetzen kann, oder dass man Leistungen oder Waren revierübergreifend einkauft, um in einer Ausschreibung mehr Volumen zu haben. Zu meinen Aufgaben gehört es auch, den Waldbestand zu beplanen. Das ist ein mittelfristiger Management-Plan, der alle zehn Jahre angepasst und von der Oberen Forstbehörde genehmigt werden muss. Ziel ist immer eine nachhaltige Nutzung, also dass immer nur so viel Holz genutzt wird, wie nachwächst und der Umgang mit dem Wald auch den Ansprüchen des Naturschutzes gerecht wird. Doch aufgrund der aktuellen Situation mussten wir diesen Plan leider aussetzen.

Der Stadtwald leidet seit Jahren unter den anhaltenden Dürreperioden. Welche Probleme führten denn zu dieser schlimmen Situation, wie wir sie im Stadtwald derzeit haben? Und seit wann?

2018 war das. Da hat es im März, April aufgehört zu regnen und nennenswerte Niederschläge kamen eigentlich erst wieder im November. Und man kann sagen, ab September hat man es im Wald gemerkt, da sind viele Kiefern abgestorben. 2019 war dann auch nicht wirklich besser und auch in den Folgejahren konnten sich die angeschlagenen Bäume auch nicht wirklich erholen.

Tja und die Probleme, also eigentlich kann man einen Strich drunter machen und Klimawandel hinschreiben. Wenn man sich die vergangenen Jahre anschaut, sind das eigentlich alle Jahre über dem langjährigen Durchschnitt, was die Temperatur angeht und was die Niederschlagsverteilung angeht.

Ein Baum kann eben irgendwann nicht mehr wachsen, wenn es nicht regnet oder wenn er keinen Zugriff auf Wasser hat. Und das ist gerade hier in Frankfurt, hier in der Rhein-Main Ebene, die ja per se schon trockener ist als höher gelegene Teile Hessens oder der Bundesrepublik, ein Problem. Und Frankfurt ist oft auch ein bisschen auf der Insel der Unglückseligen, was den Regen angeht.

Ich schaue ja immer in den Wetterbericht und freue mich dann, dass es vielleicht drei Tage später zu 60, 70 Prozent regnet. Aber ganz oft ist das eben nicht der Fall. Irgendwie bleibt Frankfurt vom Regen verschont und das merkt man dann eben auch immer. Ein ganz großer Faktor ist die Hitze, aber vor allem eben die Trockenheit, also der Wassermangel.

Welche Rolle spielen denn Schädlinge?

Also, Käfer gab es immer schon und Pilze auch. Es gibt ja Lebensgemeinschaften im Wald, zum Beispiel auf oder auch in der Eiche leben gibt bis zu 3000 Insekten oder Lebewesen, die einfach auf die Eiche angepasst sind. Ein vitaler Baum, der hat aber Schutzmechanismen dagegen. Zum Beispiel treibt die Eiche zweimal Laub aus oder die Kiefer sondert Harz ab, das die Werkzeuge der Käfer verklebt, wenn die versuchen an ihr zu knabbern. Aber wenn ein Baum durch Hitze und Trockenheit geschwächt wird, kommen eben diese Sekundärschädlinge und wirken dann als Parasitoiden. Das heißt, die bringen den Baum zum Absterben.

Wie gehen Sie denn im Waldmanagement mit diesen neuen Problemen um?

Weil in den ganzen Dürrejahren immer mehr Holz abgestorben ist als nachwächst, agieren wir derzeit ein bisschen anders, als wir es im Studium noch gelernt haben und auch anders als in unserem 10-Jahres-Plan festgeschrieben ist. Wir haben nur da Holz geschlagen, wo es notwendig war und eigentlich auch nur abgestorbene Bäume. Denn natürlich waren wir froh über alles, was stehengeblieben ist. Teilweise mussten wir auch auf größeren Flächen reagieren, um die Borkenkäfer Ausbreitung zu stoppen. Die lebendigen und vitalen Bestände haben wir komplett in Ruhe gelassen, normalerweise würde man diese regelmäßig durchforsten.

Wie sieht denn in Zukunft die Strategie im Stadtwald aus? Welche Maßnahmen planen Sie, um den Wald zu erhalten?

Ja, das ist tatsächlich aktuell eine Herausforderung. Wir sind gerade in einer Phase, wo wir noch nicht wissen, wo die Reise hingehen kann, weil die letzten Jahre eben so sehr von diesem Wassermangel und diesem heißen Wetter dominiert waren, dass man da komplett ins Grübeln gerät und umdenken muss an ganz, ganz vielen Stellen.

Grundsätzlich steht bei uns die Bestandserhaltung im Vordergrund. Die gesunden Bäume lassen wir erst einmal wachsen. Es kann sein, dass diese irgendwann vielleicht so sehr zusammenwachsen, dass man mal wieder durchforsten muss. So kann man den Bestand stabil halten, um nicht lauter Streichhölzer zu haben, sondern dass die Bäume in die Dicke wachsen können. Aber die wachsen gerade so langsam, dass wir uns bei dieser Durchforstung noch Zeit lassen können. Worauf wir uns jetzt konzentrieren, ist die Aufforstung der Brachflächen.

Wie gehen Sie denn bei der Aufforstung vor? Welche Baumsorten werden denn auch in Zukunft eine Rolle spielen?

Priorität haben da die heimischen Baumarten, zum Beispiel die Traubeneiche, deren Anteil wir im Wald erhöhen, weil die Sorte besser der Trockenheit angepasst ist. Da haben wir jetzt von Mutterbäumen Samen sammeln lassen und in eine Baumschule zum Anziehen gegeben. Ab Herbst können wir die dann pflanzen, auch auf der Fläche, die von Zurich aufgeforstet wird. Aber natürlich werden dort auch andere Baumarten hinkommen. Wir wollen ja keine reinen Bestände, sondern wir wollen Mischbestände, an der Börse würde man sagen eine Portfolio-Erweiterung. Wenn dann eine Baumart mal von einem Schädling angegriffen wird oder mit irgendwelchen Bedingungen nicht zurechtkommt, hat man dann noch mindestens zwei, drei oder vier andere Baumarten, die dann dafür in die Bresche springen können. Gut funktioniert auch die Esskastanie oder die Flaumeiche, die schon im südeuropäischen Raum heimisch ist.

Die Zurich Versicherung ermöglicht mit einer Spende, dass 24.000 Bäume im Stadtwald gepflanzt werden können. Welche werden das denn sein und wie wird da vorgegangen?

In dem Gebiet, das durch Zurich aufgeforstet wird, haben wir aktuell noch ein kleines Problem. Dort wachsen Neophyten, also fremdländische Pflanzenarten, in diesem Fall ist jetzt die spätblühende Traubenkirsche. Die kommt aus Nordamerika und wurde ursprünglich einmal zur Fahrstreifen-Randbegrünung und zum Waldbrand-Schutz eingesetzt. Nun hat sie sich so stark ausgebreitet, dass sie unseren heimischen bzw. Zukunfts-Baumarten das Licht wegnimmt. Sie ist zwar grün, aber sie ist eine so starke Konkurrenz, dass sie viel abdunkelt und quasi keine anderen Baumarten neben sich duldet. Deswegen müssen wir die Traubenkirsche, der englische Name ist übrigens Black Cherry, erst einmal roden. Die aktuell noch niedrigen Pflanzen werden mit einem Bagger rausgezogen. Würden wir das nicht tun, hätten unsere Zukunfts-Baumarten gar keine Chance, richtig Fuß zu fassen. Dann werden es Esskastanien, Flaumeichen und auch Buchen sein, die dort gepflanzt werden, um eine gute Mischung hinzubekommen.

Wie sieht es denn mit ganz neuen Baumsorten aus, wie beispielsweise dem Kiri-Baum. Die Zurich Versicherung hat neben der Aufforstung auch gemeinsam mit der Stadt Frankfurt ermöglicht, dass diese Baumsorte, die als Klimabaum gilt, am Mainufer gepflanzt wird.  

Der Kiri-Baum ist ursprünglich ein Plantagen-Gewächs, wo der Vorteil, dass er so schnell wächst, natürlich gut zum Tragen kommt. Er stammt ursprünglich aus Asien und mit seinen großen herzförmigen Blättern, mit denen er viel CO² aufnehmen kann, unterscheidet er sich schon etwas von unseren heimischen Baumarten. In einem klassischen Waldstück fällt der auf jeden Fall auf.

Für den Stadtwald gibt es aktuell eine Zertifizierung, die unseren Anteil an fremdländischen Baumarten beschränkt. Aber wer weiß, wie sich das Ganze entwickelt. Perspektivisch wird sich auch der Wald, wie wir ihn kennen, ändern. Vielleicht gibt es irgendwann gar keine Denkverbote mehr, was Baumarten angeht, damit überhaupt etwas wald-ähnliches bestehen kann. Aktuell haben wir zum Beispiel auf einem kleinen Testfeld auch Baumhasel aus der Türkei und Libanon- oder Atlas-Zedern. Diese sind in Nordafrika heimisch. Wir testen, wie diese sich hier bei uns entwickeln und ob sie überhaupt überleben.

Der Stadtwald feiert in diesem Jahr 650-jähriges Jubiläum. Wie wurde dieses besondere Jahr denn begangen?

Genau, seit 1372 ist der Wald in der Hand der Frankfurter Bürgerschaft. Wir haben dieses Jahr daher auch mit einem Bürgerfest bei uns auf dem Fasaneriegelände gestartet, das liegt zwischen Sachsenhausen und Neu-Isenburg. Wir hatten und haben das ganze Jahr über auch Vorträge, bzw. Vortragsreihen, zum Beispiel auch in Kooperation mit dem Senckenberg-Museum. Viele davon sind auf YouTube zu finden. Wir haben auch Führungen durch den Wald angeboten, ein paar finden auch bis Ende des Jahres noch statt. Und im November wird es dann einen Weihnachtsmarkt an unserem StadtWaldHaus geben, um gemeinsam das Jahr ausklingen zu lassen.

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Peter Rodenfels

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